Tjaa! Beiträge zur Lage. Irgendwie zu allem.
- eigensinnig ... selbst gestaltet ... unorthodox ... unaufgeregt -
Kommentare. Was andere schreiben ...
2021-08-10; 32
user_unknown schrieb:
Zitat aus der Webseite: "Das Anliegen, das hinter dem Gendern steckt, teile ich."
"Tja, welches Anliegen ist das denn? Du schreibst, die Gegenargumente hörst Du gerne.
Das Geschlecht eines Wortes drückt nicht das biologische Geschlecht des Bezeichneten aus, und schon gar nicht eine Geschlechtsrolle (Gender), auch
wenn die Begriffe "Geschlecht" und Gendern das nahelegen (die Geschlechtsrolle betrat als denkbar verschiedenes zum Sexus erst im 20.Jhr. die Bühne der Gedankenwelt - das Geschlecht i.d. Sprache ist viel älter).
Beleg 1:
a) Die Gabel, das Messer, der Löffel.
b) Die Zange, der Hammer, das Senkblei.
"Aber das sind Dinge", magst Du einwenden, "das Geschlecht bezeichnet nur
bei Menschen das sexuelle Geschlecht". Es wäre aber merkwürdig, wenn
alles, was mit einem Hauptwort bezeichnet werden kann, vom Sandkorn bis
zum Planeten, vom Gedanken bis zur Zukunft, von der Katze bis zum Huhn dem
Salamander ein sprachliches Geschlecht hat, und beim Menschen ändert die
Sprache plötzlich ihren Fokus und das Geschlecht bedeutet plötzlich
inhaltlich etwas, wo vorher semantische Neutralität waltete.
Zumal es Begriffe gibt, die Menschen und Nichtmenschen bezeichnen können.
Ein Schwimmer kann ein Mensch sein, der schwimmen kann, aber auch ein
Anglerutensil oder je nach Kontext ein Tier, etwa ein Biber.
Ein Botaniker in botanischen Garten kann vom Affenbrotbaum als seinem
Lieblingsafrikaner sprechen. Die Sprache ist da superplastisch.
Nochmal zurück zu den Tieren. Da haben wir auch sehr viele generische
Bezeichnungen, und sehr viel mehr weibliche und sächliche, als im
Menschengetümmel, zu denen wir noch kommen.
Kein Katzenbesitzer mokiert sich im Supermarkt, dass er zwischen dem
Katzenfutter und Katzenstreu kein Katerfutter oder Katerstreu findet. Und
je nach Perspektive kann die Großkatze (f.) ihr Geschlecht wechseln und
ein Löwe (m.) sein, ohne dass jmd. ein kognitives Dissonanzerlebnis
verspürt. Und zwar, weil das Geschlecht eines Wortes das biologische
Geschlecht nicht impliziert. Das hat es noch nie.
Beleg 2)
Die Katze, das Kaninchen, die Schlange, die Schildkröte, das
Einhorn, das Nashorn, ...
Beleg 3)
"Männliche Studenten haben keinen Zutritt zur Frauenbibliothek." Man kann
das Attribut nicht weglassen und implizit vorraussetzen, dass "Studenten"
sowie die männlichen meint.
Oberflächlich sieht es aus, als gäbe es eine Symmetrie zwischen
generischem Maskulinum und spezifischem Femininum. Aber beim generischen
Maskulinum ist eben nur der Begriff männlich, nicht das Begriffene. Männer
sind bei "Studenten" genauso nur mitgemeint wie Frauen.
Das Worte "Brite" ist kein Spiegelbild des Wortes "Britin", das Wort
"Arzt" nicht für "Ärztin" und "der Kater" nicht für "die Katze". "Wir
haben eine Katze bekommen" lässt das Geschlecht offen, "Kater" nicht.
Aber wieso gibt es beim Menschen die Kongruenz beim Geschlecht? Der Vater,
Bruder, Onkel, Opa, Sohn, Junge, Mann, ... dagegen die Mutter, Schwester,
Tante, Tochter, Oma, Frau, das Mädchen (hoppla), das Weib (hoppla), der
Backfisch (hoppla), ...?
Die Kongruenz zieht sich also nicht durch.
Beleg 4)
Und es gibt generische Formen, die nicht männlich sind, wie "das
Mitglied", "die Fachkraft", "die Koryphäe" und superhäufig gebraucht, ohne
dass es je einem aufgefallen wäre: Die Person.
Beleg 5)
Wir benötigen superhäufig eine Form, die das Geschlecht offenlässt, weil
das Geschlecht nicht interessiert. Wer verletzt ist, braucht einen Arzt,
das Geschlecht ist ihm wumpe. Wer aus religiösen keine Frau auf sein
Geschlecht werfen lassen will, das er sich geklemmt hat, der muss rufen
"Ich brauche einen männlichen Arzt!"
Und wenn ich ein Brötchen (Semmel in Nbg.?) will, geh ich zum Bäcker.
"Ohne, dass es je einem aufgefallen wäre" - impliziert das, dass es sich
nur um Männer handelt, denen es noch nie aufgefallen ist? "Ohne dass es je
eine:m:r aufgefallen wäre?"
Man kann die Gendersprache auch nicht sprechen, ohne die Zunge zu
verrenken. Sie ist wie der Geßlerhut, den man grüßen muss.
Die Behauptung, die klassische Sprache sei ungerecht, ist falsch. Der
Glaube, Sprache würde etwas unsichtbar machen, naiv. (Du schreibst ja
selbst, dass potemkinsche Wortdörfer die Realität nicht magisch verwandeln).
Was ist das Anliegen, die Funktionsweise der klassischen Sprache falsch
darzustellen? Sitzt Du am Ende dem Geschlechtstereotyp vom weißen Ritter auf?
Wenn es eine bewusste Entscheidung war, generische Bezeichnungen mit
männlichen Rollen zu verschmelzen (der Professor, Anwalt, Sieger, Held,
Reiter, ...), wieso sind dann meist schlecht angesehene Funktionen
ebenfalls männlich (Faulenzer, Dieb, Betrüger, Versager, Nichtschwimmer,
Trittbrettfahrer, ...)?
Geht man von unbewusster Sprachbildung aus wird es noch viel
unwahrscheinlicher, dass ein Wort wie "Person" passieren kann.
Was ist die plausible, historische Genese, die Asymetrie der Sprache
erklärt? Wieso haben Frauen an dieser Sprache mitgewirkt - immerhin lernt
man die Muttersprache überwiegend von der Mutter?
Wieso haben die Feministinnen seit Beginn der 80er, als das Thema
erstmalig aufkam, also in 40 Jahren keine befriedigenden Antworten auf
diese Fragen gefunden? Oder haben sie die gefunden, aber sie dringen nicht
zu uns durch? Wie kommen sie selbst damit zurecht, oder interessiert sie
die ganze Frage so wenig?
Aber wie kann es sein, dass viele Verlage, Nachrichtensprecher,
Moderatoren, Reporter bei dieser Sprachreform mitmachen, wenn das alles
auf so wackligen Füßen steht und es nicht mal eine Theorie gibt, wie die
angeblich ungerechte Sprache evolviert ist?
Sehr empfehlenswert zu diesem Thema: Daniel Scholte, BellesLettres bzw. Video: "Der oder das Blog".
Tschuldige die Länge, aber ich habe mich versucht auf die besten Argumente
gegen die Gendersprache zu beschränken. Zu den Problemen der
Ersatzempfehlungen nur eines, die Passivform. Auf der B456 starben 37
Busfahrende oder Busfahrer? Mussten im Januar auf dem Ku'damm alle eine
Maske tragen, außer Radfahrern oder alle außer Radfahrenden?
Und ein Disclaimer noch: Bis Mitte der 90er war ich leidenschaftlicher
Befürworter und Nutzer des Binnen-I. Ich bin keinen Argumenten mit Niveau
dagegen über den Weg gelaufen, möchte ich als Entschuldigung vorbringen.."
user_unknow schrieb in einer begleitenden Mail als zusätzlichen Hinweis:
"Meine Behauptung ist übrigens nicht, dass Frauen nebenbei meistens mitgemeint sind, sondern dass Männer und Frauen gleichermaßen gemeint sind.
"Studenten dürfen die Frauenbibliothek nicht nutzen." kann man nicht sagen/schreiben, wenn man ausdrücken will, dass männliche Studenten das nicht dürfen, sondern man muss "männliche Studenten" sagen/schreiben. Die Vermutung, Männer wären auf privilegierte Weise gemeint, ist eine falsche Prämisse. Die Sprache ist nicht symmetrisch - es gibt kein eigenes Wort für männliche Studenten."
2021-07-15; KW 27
nachtigall:
"Ich habe nicht geblickt, was das Ganze soll. Bei mir sah ich zum Teil nur Buchstabensalat. Werde die Webseite gleich nach dem Abschicken wieder zu machen."
Hallo nachtigall, wir haben versucht, Ihr Anliegen aufzugreifen.
Schwarzwaldbär schrieb:
"Lassen Sie das mit den komplizierten Sicherheitsabfragen. Geben Sie einfach eine Mailanschrift an. Und wenn Sie Lust haben, veröffentlichen Sie es. Ich lese manchmal fefe. Wunderbar minimalistisch. Und wer ihm was sagen will, soll ihm halt eine eMail senden. Das ist viel unkomplizierter."